Im Wettbewerb ist der Endanflug eine ganz wichtige Flugphase. In keiner anderen Phase lässt sich durch bewusst eingegangenes Risiko (Taktik) so brutal viel verlieren (Außenlandung vor dem Platz) oder so wenig und doch so viel gewinnen (5 - 15 Minuten).

Das Standardproblem ist

  • Soll ich diesen Bart bis oben hin kurbeln (oben reicht es mit 0,6 m/s zum Endanflug)?
  • Soll ich durchfliegen zum nächsten oder übernächsten Bart, den niedrig annehmen, aber in der besten Höhe mit 2 m/s und Endanflughöhe verlassen ?

Siehe dazu auch die schon klassischen Artikel von John Cochrane "A little bit faster" (Abschnitt "Final Glides" und Abb. 3) und "Safety Glides".

Es gibt für Endanflüge kein allgemeines Kochrezept.

Wenn der Wettbewerbstag ganz knapp zu Ende geht, in die abbauende Thermik hinein, schleichst du mit MacCready 0,5 oder verzweifelt und mit Rückenwind gar mit 0 ganz flach heim. Dann geht dir der Stift, weil du meinst, du kommst nicht an. In diesem Fall ist das Problem taktisch einfach, weil es keine Optionen gibt, schneller oder langsamer zu fliegen. Es gibt nur Optionen in der Flugpfadwahl. Solange du noch unter dem Gleitpfad bist, wirst du alles Steigen, was du finden kannst, mitnehmen. Wenn du wider Erwarten noch einen letzten guten Bart findest, wirst du kurbeln bis zu der Höhe, die du brauchst um heimzukommen, exakt mit der MacCready-Einstellung, die diesem letzten mittleren Steigen entspricht (klassisch konservativ).

Ganz anders stellt sich die Sache dar, wenn der Wettbewerbstag früh zu Ende geht. In diesem Fall, bei noch gutem Wetter, hast du alle taktischen Optionen, mit denen auch John Cochrane spielt.

Du näherst dich wieder dem Zielplatz. Du fliegst deinen normalen bisher gewählten MacCready-Wert, irgendwo zwischen 0,7 und 2,5, wahrscheinlicher 1,5 (siehe Bemerkung unten). Du unterscheidest jetzt zwei Situationen:

  1. Du konntest auf diesem letzten Schenkel durch geschicktes Geradeausfliegen den Gleitwinkel strecken, konntest mit MacCready 1,5 nicht nur einen Gleitwinkel von 25 sondern von 50 oder besser erzielen. Du bist sehr viel geradeaus geflogen und du konntest dir die besten Bärte aussuchen.
  2. Du konntest den Gleitwinkel nicht strecken, also nur ein Gleitwinkel von 20 - 25 erzielen, und du musstest fast alles kurbeln, was da kam.

Im ersten Fall fliegst du mit diesem Kurbel- und Geradeausflugstil weiter, bis du auf den Platz einen Gleitwinkel von 50 hast. Im Beispiel reden wir über eine LS4 !!. Von da an darfst du die Hoffnung haben, dass du ohne weiteres Kurbeln durch geschicktes Geradeausfliegen den Platz erreichen kannst, obwohl du zur Zeit noch weit unter dem Gleitpfad bist. Das ist aber wirklich nur die Hoffnung, noch keine Funke Sicherheit. Wenn du nicht mehr kurbelst, wirst du die Wolkenbasis zwangsläufig verlassen. Während du oben an den Wolken ziemlich sicher deinen Gleitwinkel verlängern kannst, ist das auf mittlerer Höhe unter den Wolken nicht so ohne weiteres möglich, denn die genauen Anhaltspunkte fehlen dir. Wenn das klappen würde, wäre das die schnellste, aber auch die riskanteste Art, nach Hause zu kommen.

Wenn du jedoch im gleichen Stil oben an den Wolken weiterfliegst - also auch gute Bärte kurbelst -, wird dein Gleitwinkel auf den Platz immer besser und er nähert sich dem Gleitwinkel von 20, der bei einem klassisch konservativen Anflug notwendig ist. Da wird dich dann nichts mehr an der Basis halten und du stürzt dich heim. Dann bist du aber wahrscheinlich am Ende VIEL zu hoch für dein Ziel - und damit zu langsam, zumindest nicht optimal schnell.

Fazit:

Der beste Weg liegt dazwischen. Fliege mit dem gleichen MacCready-Wert weiter, bis dein Gleitwinkel auf den Platz deutlich unter dem Gleitwinkel beim Schwabbeln und wolkenoptimierten Fliegen auf Strecke liegt (z.B. 30 statt 35 - 40) und unterlasse dann erst das Kurbeln. Du bist dann zwar immer noch nicht sicher im Endanflugkegel, aber mit deinen Gleitflugleistungen wirst du dich in den Endanflugkegel hinein delphinieren. Wenn du das Steigen auch weiter unten noch gut triffst, kommst du auch auf diese Art und Weise zu hoch am Ziel an. Das siehst du aber früh auf dem Rechner und kannst den Ring hochdrehen. Wenn du es nicht gut triffst, wird es knapp. Auch das siehst du früh auf dem Rechner und kannst den Ring runterdrehen und/oder kurbeln.

Um diese Art des Endanflugs zu beherrschen, musst du vorrangig nicht deine (zu diesem Zeitpunkt noch negative) Endanflughöhe zu betrachten, sondern den derzeitig erzielten mittleren Gleitwinkel gegen den Boden. Dagegen vergleichst du den jeweils notwendigen Gleitwinkel, den du bräuchtest, um nach Hause zu kommen.
Du wirst erleben, du kannst oben an den Wolken Gleitzahl 50 erreichen, aber weiter unten nicht mehr, nur noch 40.
Zu Beginn der Aktion ist der notwendige Gleitwinkel vielleicht noch bei 100, aber je mehr du dich ohne großen Höhenverlust (Gleitzahl 50) dem Platz näherst, um so kleiner wird auch dein notwendiger Gleitwinkel.
Irgendwann dann - hoffentlich - nähern sich die beiden Zahlen an und dann brauchst du einen kleineren Gleitwinkel als den, den du fliegen kannst, um nach Hause zu kommen.

 

Im zweiten Fall fliegst du mit dem gleichen Kurbel- und Geradeausflugstil weiter, bis du im Kurbeln so hoch kommst, dass es dir mit einer MacCready-Einstellung, die dem Steigen des letzten Bartes entspricht, nach Hause reicht (klassisch konservativ).

Bemerkung:
Denk beim Beurteilen deiner Reservehöhe im Endanflug immer an die Druckabnahmeeffekte durch den Tagesgang der Temperatur. Der Druck fällt im Laufe des Tages um 2 - 3 hPa. Ein hPa entspricht 8,5 m Höhe, die dir der Höhenmesser vorgaukelt, die du aber nicht hast.

Und denke immer daran, dass (schau bei Cochrane) ein Meter Luftmassen-Fallen einen Gleitwinkel von 50 auf einen Gleitwinkel von 20-25 schrumpfen lässt. Es ist sinnvoll, den MacCready-Wert aus deinem Endanflugrechner und deinen Sollfahrtgeber zu ENTkoppeln.

Und denke immer daran, der Wind im Bart ist nicht notwendigerweise gleich dem Wind in der freien Atmosphäre.

 

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