Bevor du dir weiter Gedanken darüber machst, wie du in der Thermik optimal fliegst, mit welcher Querneigung und mit welcher Geschwindigkeit, musst du dir klar sein über die engen physikalischen Grenzen, innerhalb derer du dich dabei bewegst.

Querschnitt  durch die ThermikDiese Themen erscheinen zwar in allen Büchern, aber weil das alles so spannend ist, erläutere ich hier noch einmal das gesamte Thema. Ich gehe, geschoben von didaktischem Druck nach Vereinfachung und Klarheit, in diesem Kapitel davon aus, dass die Thermik konzentrisch in Kreisen mit zum Mittelpunkt hin steigenden Steigwerten angeordnet ist, im Querschnitt ungefähr wie eine Gauss'sche Glocke (links) oder eine Cosinus-Kurve (unten) aussieht. Wir werden an anderer Stelle diskutieren, was diese Vereinfachungen praktisch bedeuten, ob sie uns zu Fehlern verleiten.

Es ist offensichtlich, dass du, wenn du steigen willst, dein Flugzeug innerhalb der "Glocke" in einer engen Kurve im Kreis fliegen musst.

Die Kräftemechanik im Kurvenflug bringt es mit sich, dass das Segelflugzeug mit zunehmender Kurvenlage immer mehr Eigensinken erfährt. Warum ? Hier ist die intuitive Erklärung:

Wenn du ein Pendel über deinem Kopf an einer Schnur kreisen lässt, spürst du die Zentrifugalkraft. Ein Flugzeug, das im Kreis fliegt, erlebt diese Zentrifugalkraft auch. Dein Pendel hängt an deiner Schnur und deine Hand fängt die Zentrifugalkraft auf. Beim kreisenden Flugzeug gibt es keine Schnur, da wird diese Kraft aus dem Auftrieb "abgezweigt". Das Flugzeug liegt in der Kurve, mit 20 - 50 ° Querneigung. Auch im Kurvenflug wirkt der Auftrieb aus Sicht des Flugzeugs genau nach oben, also in die Kurvenrichtung geneigt. Und entsprechend dem Parallelogramm der Kräftezerlegung bleibt vom Auftrieb für das "Obenbleiben" nur der Anteil übrigt, der nicht durch den Kurvenflug "abgezweigt" ist. Und da der Gesamtauftrieb endlich ist (sonst gäbe es auch keinen Segelflugsport !!), ist im Kurvenflug weniger Anteil zum "Obenbleiben" da, um dem Gewicht entgegenzuwirken. Also sinkt das Segelflugzeug mehr als im Geradeausflug.

Die trockene physikalisch-mathematische Darstellung überlasse ich den Büchern. Ich habe die Theorie in ein Programm gepackt und damit die folgenden Skizzen erzeugt. Die Bilder zeigen die Kurven des Flugzeugsteigens unter verschiedenen Annahmen: Bart eng-weit, Bart schwach-stark.

Starker weiter BartStarker enger BartDie Grafiken zeigen auf der waagrechten Achse den Radius (eine Hälfte) eines kreisrund angenommenen Aufwindes in Meter. Senkrecht dazu ist das meteorologische Steigen in m/s aufgetragen.

Mit der oberen Linie ist ein angenommenes Thermikprofil gezeichnet, das Bild der Glockenkurve von oben, allerdings nur die eine Hälfte. Es ist gekennzeichnet durch gleichmäßiges Steigen in der Mitte und Abnahme des Steigens infolge Reibung und Verwirbelung mit den benachbarten Luftmassen an den Rändern. Das ist eine naive Idealisierung, die aber den Charme hat, dass man mit dem Modell besser umgehen kann. Der linke Gipfel liegt weit oben für starke Bärte, weiter unten für schwache Bärte. Die Kurve hebt sich entweder weit rechts schon über die Nulllinie (bei einem weiten Bart) - oder erst bei 200 m Radius (bei einem engen Bart).

Mittelmäßiger enger BartSchwacher weiter BartDie beiden unteren Kurven, die nach links unten abfallen, das ist das polare und kurven- abhängige Fallen, das du erfährst, wenn du eine LS4 mit 32 bzw. mit 40 kg/m2 Flächenbelastung um eine Kurve treibst, die dem jeweils angegebenen Radius entspricht. Du siehst, einen engeren Radius als ca. 60m kannst du auch mit einer leichten LS4 nicht fliegen. Bei 40 kg/m2 Flächenbelastung liegt der engstmögliche Radius höher.

Die beiden Kurven in der Mitte geben jeweils die Summe aus dem bei diesem Radius herrschenden meteorologischen Steigen (idealisiert) und dem bei diesem Radius geringstmöglichen polaren Fallen an. Es gibt in jedem der Fälle einen optimalen Radius, der das beste Steigen unter den Parameteren Thermikprofil und Flächenbelastung anzeigt.

Die dabei zu fliegende Schräglage wird durch die Physik diktiert. Zwischen der Schräglage, dem Radius und der Flächenbelastung gibt es - wegen leider unüberwindbarer physikalischer Gesetze - einen festen Zusammenhang.

In den Zeichungen sind jeweils die Schräglagen mit einem kleinen Kreis mit Zahl notiert, die du fliegen musst, willst du optimal steigen. Außerdem zeigen die kleinen Ringe an, wie mit engerem Radius die Schräglage wächst, in 5° Schritten.

Abhängig von der Ausprägung (eng-weit, stark-schwach) variiert die optimale Schräglage (zusätzlich zum Effekt deiner höheren oder niedrigeren Flächenbelastung). Aber unabhängig von diesen Variationen wird mit diesen Skizzen klar:

  • In engen Bärten kreist man den zentrierten Bart mit etwa 40 - 45° Querneigung. Wirst du noch steiler, ist die Gefahr groß, dass du dynamisch überziehst.
  • In weiten kräftigen oder schwachen Bärten liegt das Optimum bei ca. 40° oder darunter.
  • Die Geschwindigkeit entspricht im Idealfall der des maximalen Auftriebes, d.h. dem zur Querneigung passenden geringsten Sinkens.
  • Flaches Kreisen ist nur dann sinnvoll, wenn die Bärte sehr breit und gleichmäßig sind. Dieser Fall tritt meist nur am späten Nachmittag oder in der sterbenden Thermik auf.

45° QuerlageIn Summe: Mit Kreisen von 40° Schräglage bist du meistens nahe am Optimum !!

 

Wie weißt du, dass du 40° Schräglage hast :
Du hast sicher Rundinstrumente im Instrumentenbrett. Wenn zwei diagonal versetzte Schrauben eines Instrumentes betrachtest, durch die Schrauben eine Linie ziehst, dann fliegst 45° Querneigung, wenn diese Linie parallel zum Horizont liegt. Im Bild links siehst du die rote Linie durch die Schrauben des Fahrtmessers. Das Bild ist bei etwas weniger 45° Schräglage aufgenommen.

Noch ein paar Daumenregeln für das Thermikkreisen:

  • Im Zusammenhang mit Thermikkreisen wird immer wieder diskutiert, wo der Faden stehen muss. Die Böigkeit in der Thermik - infolge des Impulsaustausches und der Reibung mit den benachbarten Luftmassen - wird dir den Faden hin und her wehen. Dagegen wird das in einen Kreis gesteuerte Segelflugzeug auf Grund seiner Masse nur durch die heftigsten Strömungen in der Flugbahn beeinflusst. Wenn der Faden etwas um die Mitte flattert, kannst du das hinnehmen, aber Querneigungsänderungen infolge von Böen musst du korrigieren.
  • Je mehr kräftige Ruderausschläge du beim Kreisen und Korrigieren machst, umso größer ist der schädliche Widerstand, den du erzeugst. Ruderausschläge müssen zügig, nie ruckartig, knapp und exakt und möglichst gering sein.
  • Fliege lieber einen Tick schneller als die oben erwähnte geringste Kreisfluggeschwindigkeit, also auch einen etwas größeren Kreis. Dadurch vermeidest du Mindestfahrtunterschreitungen aus Turbulenzen und kannst zügig Böen ausgleichen. Je turbulenter der Bart ist, umso schneller fliegst du, je ruhiger, umso näher kannst du bei der Geschwindigkeit des maximalen Auftriebes fliegen.
    Wenn du mit mehreren Flugzeugen in einem Bart bist, brauchst du Fahrtreserven, um Ausweich- und Anpassmanöver fliegen zu können.
  • Die optimale Kreisfluggeschwindigkeit ist IMMER definiert durch das CAmax deines Flugzeuges. Dieser Wert ist typabhängig (Ka8 anders als LS4), aber auch davon abhängig, wie "sauber" dein Flugzeug ist (Mücken, Regen, Abklebung, sauber schließende Brems- und Fahrwerksklappen, abgedichtete Ruder, etc.). Je "schmutziger" das Flugzeug ist, desto schneller will es geflogen werden.
  • Wenn du diese optimale Geschwindigkeit UNTERschreitest, wird dein Flugzeug abkippen wollen. Ältere Flugzeugtypen (z.B. Spatz, Cirrus ohne Schränkung) kündigen das nicht an. Die beschließen, jetzt ist Abkippen und Trudeln angesagt, und das ist dann auch. Eine Viertelumdrehung war beim Cirrus immer drin. Die meisten modernen Flugzeuge kündigen das mit einem Schütteln oder Brummen an. Viele Flugzeuge zeigen dir mit einer deutlichen Gierbewegung, dass du doch bitte schön wieder schneller fliegen solltest. Andere Flugzeuge (so die LS4) gehen ohne viel darauf aufmerksam zu machen, still und heimlich in den Sackflug über. Dieser Flugzustand nahe am Abkippen ist mindestens suboptimal, aber auch gefährlich, zumal in niedriger Höhe, weil er für ein Ausleiten mindestens genauso viel Höhe verbrät wie das Ausleiten aus dem Trudeln.
  • Du musst dir klar machen, dass überzogene Flugzustände auch ohne deine Dusseligkeit eintreten können, wenn du mit knapper, aber ausreichender Fahrt in eine Positiv-Bö einfliegst.
  • Je steiler deine Kurve, umso kritischer ist dein Flugzustand. Wenn dein Kahn aus einer 45°-Kurve abkippt, kannst du ihn nicht halten. Der wird mindestens einen Viertelkreis Unfug treiben, bevor du die Strömung wieder ankleben kannst. Deshalb: Steile Kurven → Fahrt !!

 

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