Anfang der 80-ziger Jahre hat eine (damals seufz!) junge Medizinerin, Dagmar Tessmann, Vereinskameradin aus Reinheim, als Doktorarbeit einen Freilandversuch gefahren. Sie hat Sportlern verschiedener Sportarten, auch Formel-1-Fahrern und Segelflugpiloten, Aufzeichnungsgeräte mitgegeben, um die Herzfrequenz messen. Mit statistischen Methoden und durch begleitende Untersuchungen an den Versuchskaninchen in Ruhe und beim Leistungs-EKG in der medizinischen Praxis hat sie versucht, den Stresseffekt in der Pulsfrequenz zu herauszufiltern.

Dabei kamen als Schlaglichtergebnisse raus: Segelfliegen und Formel-1-Fahren sind ungefähr gleich stressig. Dann kommt lange Zeit nichts. Und dann kommen andere technische Sportarten, z.B. Segeln.

Dagmar hat auch herausgefunden, dass es eine sehr große Streubreite der Stressempfindlichkeit (Stress wirkt auf Herzschlag) bei den Piloten gibt. Und die stressfreien Piloten waren auch die erfolgreicheren.

Was lernen wir daraus: Routine aufbauen, damit kein Stress aufkommt.

Die Stressoren, die auf dich wirken, wenn du überland fliegst, das sind alle die Tätigkeiten, die nicht zum normalen Überlandfliegen gehören, die Sondersituationen:

  • Pinkeln
  • Karte falten
  • Orientierungsverlust
  • Gefahrensituationen
  • drohende Außenlandung

Gegen einige dieser Stressoren kann man was tun.

  • Die Pinkelvorrichtung muss leicht zugänglich und funktionabel sein. Auch Pinkeln will geübt sein. Du musst der Dichtigkeit vertrauen. Du musst - wegen der ungewohnten Sitzposition oder weil du über 60 bist - ein Gefühl dafür entwickeln, wann die Blase leer ist.
  • Die Karten sollten am Boden so gefaltet und verklebt sein, dass das Umfalten nicht zu einer "selbstexpandierenden Karten-Wolke" im engen Cockpit führt und die Sicht auf Null geht.
  • Gegen Orientierungsverlust hilft "Navigieren üben" und "Karte zuhause studieren". Viel Fliegen in einer Gegend hilft auch, da braucht man dann gar keine Karte mehr.
  • Außenlandungen muss man üben und wiederholen.

 

Gegen externe Gefahrensituationen ist kein Kraut gewachsen. Da hilft nur: Don't panic!

Wenn du deine Optionen verspielt hast, z.B.

  • wenn der Boden näher kommt, aber die Landemöglichkeiten spärlich sind,
  • wenn der Schauer, den zu durchfliegen du dich entschieden hat, einfach nicht endet,
  • wenn sich unter dem Flugzeug das Wolkenloch der Welle schließt
  • wenn du in großer Höhe in der Welle nicht auf die Uhr geschaut hast und nach Sunset landen musst,

dann erweist sich, ob du als Pilot psychisch belastbar bist. Auch in der Gefahr brauchst du einen klaren Kopf. Panik kann nicht helfen. Adrenalin hilft beim Rennen, aber nicht beim Denken.

Deshalb musst du auch die unangenehmen Situationen mal durchdacht haben, vorher, vor dem Fliegen, damit du in der Gefahrensituation mindestens genau weiß, was du NICHT tun darfst.

 

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